Bericht vom 26. Prozesstag (25.02.2009)
Die Verhandlung fing pünktlich an, obwohl die Öffentlichkeit nicht vollständig hergestellt war. Aufgrund des großen Andrangs heute zogen sich die Sicherheitskontrollen hin. Daneben wurden nur 50 Leute in den Verhandlungssaal gelassen, die übrigen durften nicht herein. Wer zu spät kam, hatte laut dem vorsitzenden Richter Hoch selber Schuld, denn wer sich um 8:15 Uhr vor die Tür stelle, würde auch pünktlich im Sitzungssaal erscheinen können.
Es wurde mit der Vernehmung des Zeugen Hans Elmar Remberg, 63 Jahre alt, Vizepräsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, begonnen. Als der vorsitzende Richter Hoch den Zeugen über seine Erkenntnisse über die mg befragen wollte, erwiderte Remberg, dass er dazu nichts sagen brauche, da er nicht einsehe, den Inhalt der Behördenzeugnisse zu wiederholen. Schließlich beantwortete er konkretisierte Fragen von Hoch. Remberg hätte von einer nachrichtendienstlichen Quelle ("Spitzel") die Meldung erhalten, dass die drei Angeklagten der mg angehören. Die Quelle erscheint ihm glaubwürdig, da das BfV von ihr schon mehrere andere Informationen erhielt, die sich als zutreffend herausstellten. Wie weit die Quelle in die linke Szene integriert ist, durfte der Zeuge nicht beantworten. Hoch machte ihn darauf aufmerksam, dass das Gericht nur sichere Zeugnisse als Beweis verwerten dürfe. Wie sicher die Quelle ist, wollte Remberg jedoch nicht sagen, da dies die Quelle schon gefährden würde.
Die mg sei dem BfV seit längerer Zeit durch Brandanschläge bekannt. Die Größe der mg sei dem Zeugen nicht bekannt. Er wisse nur, dass es noch andere Mitglieder geben soll. Untereinander seien die Mitglieder durch ihre politische Einstellung miteinander verbunden. Über enge persönliche Beziehungen sei ihm nichts bekannt. Die mg bekämpfe die freiheitliche demokratische Grundordnung und vertrete die Ansicht, dass der Kapitalismus die Menschen ausbeute. Diese Erkenntnisse habe man aus den Anschlägen gewonnen. Remberg sagte die mg bestehe seit 2003/2002, genau wisse er es aus dem Gedächtnis jedoch nicht. Später sagte er aus, dass die mg seit 2001 bekannt sei. Ob die Mitglieder zuvor in anderen Gruppen aktiv gewesen waren, wusste Remberg nicht. Von der Selbstporträt-Gruppe (einem angeblichen Vorgänger der mg) hatte er ebenfalls noch nicht gehört. Auch über die Kontakte zur Gruppe Revolutionärer Aufbau Schweiz im September 2008 wusste der Zeuge nicht Bescheid.
Die Textanalysen ergaben nach Aussage des Zeugen, dass die mg die bestehende Gesellschaftsordnung der BRD ablehne. Die Schriftgutachten wurden von Jurist_innen und Politolog_innen gemacht, nicht aber von Fachleuten wie Linguistiker_innen. Die Texte der Selbstporträtgruppe aus der Zeitschrift Interim seien dem Zeugen nicht bekannt. Hoch machte Remberg einen Vorhalt, indem er verschiedene Anschläge zwischen 1996 und 2001 aufzählte. Auf die Frage, ob diese nicht von unterschiedlichen Gruppen verübt sein könnten, meinte der Zeuge lediglich, dass er zu den einzelnen Anschlägen keine Angaben machen könne. Wahrscheinlich sei es so, wie Hoch es vorgetragen habe. Der Vorsitzende hielt weiter vor, dass der Zeuge Damm (siehe 25. Prozesstag) behauptete, die Gründungsmitglieder der mg seien dem BKA durch das BfV übermittelt worden. Es handelt sich um drei Personen, gegen die im mg1-Verfahren ermittelt wurde. Zu diesen Personen und der Libertad!-Gruppe konnte Remberg ebenfalls keine Angaben machen.
Anschließend fragte die Bundesanwaltschaft (BAW), wie viel Glaubwürdigkeit Remberg der nachrichtendienstlichen Quelle schenken würde. Die Antwort war, dass vom BfV geprüft werde, wie die Eindrücke von der Quelle seien, welche Informationen sie liefere, wie die Motivlage der Quelle ist, dem BfV Informationen zu übermitteln. Der hier einschlägige Informationsgeber sei im Allgemeinen als zuverlässig eingestuft. Zuverlässig ist eine Quelle, wenn sie mehrere Informationen liefert, die sich als wahr herausstellen, also "verifiziert werden können". "Im Allgemeinen" bedeute, dass Meldungen nicht verifiziert werden können. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass sie unrichtig seien. Ihr Wahrheitsgehalt kann bloß nicht nachgewiesen werden. Auch die Qualität der Aussagen sage nichts über die Zuverlässigkeit aus. Über die Anzahl der Informationen oder ihren prozentualen Anteil konnte nichts ausgesagt werden. Ebenfalls nicht, wie lange die Quelle schon für das BfV tätig ist. Es folgte eine 40minütige Pause.
Nach der Pause gab ein Journalist bekannt, dass einem seiner Kollegen von dem im Gerichtssaal anwesenden Sicherheitskräften mit körperlichen Angriffen gedroht worden sei. Hoch gab an, den Fall aufklären zu wollen, allerdings erst nach der Zeugenvernehmung. Als die Befragung durch RA Herzog begonnen wurde, merkte ein Zuschauer an, dass er den Zeugen akustisch nicht verstehen könne und dieser lauter sprechen solle. Hoch erklärte dem Zuschauer, dass er zwar das Recht habe, im Gerichtssaal anwesend zu sein, aber nicht das Recht, alles hören und sehen zu können. Der Zuschauer machte eine Bewegung, um die schwere Verständlichkeit zu betonen, was von Hoch als "den Vogel zeigen" ausgelegt wurde und woraufhin der Zuschauer nach vorne gebeten wurde. Dort wurde er von Hoch belehrt und es wurde ihm bei nochmaliger Störung ein Ordnungsgeld angedroht. Als RAin Weyers den Zuschauer verteidigen wollte, sagte Hoch ihr, dass sie jetzt nicht dran sei. Kurz später durfte sie dann doch für das Publikum sprechen, das sich bemerkbar machen müsse, wenn es etwas nicht verstehe. Hoch erwiderte, dass er den "Störer" deshalb ja auch nur ermahnt habe. Warum die Belehrung fünf Minuten in Anspruch nahm, die Bedrohung der Presse hingegen nach der Meinung des Vorsitzenden keinen sofortigen Klärungsbedarf habe, konnte nicht ermittelt werden.
Bei der Befragung durch den RA Herzog gab der Zeuge an, seit drei Jahren für das BfV tätig zu sein. Zur Arbeitsweise gab er an, von den Mitarbeiter_innen schriftliche Berichte zu erhalten und auch Gespräche mit ihnen zu führen. Wie viele nachrichtendienstliche Quellen es gebe, dürfe und könne Remberg nicht sagen. Über Verurteilungen aufgrund von Angaben solcher Quellen sei ihm nichts bekannt. Beim BfV werde mit einer ganzen Reihe von Quellen gearbeitet und auch mit "öffentlichen Verlautbarungen". Diese Informationsbeschaffungsmaßnahmen nennt man beim BfV "operative Aufkommen".
Am 18. Juli 2007 hat Remberg verfasst, dass die drei Angeklagten seit 1995 aktive Mitglieder der mg seien. Ob er die Information aus einer offenen oder verdeckten Quelle habe, konnte der Zeuge nicht angeben. Zur Selbstporträtgruppe und den Beschuldigten des mg1-Verfahrens konnte er keine Angaben machen. Er könne nicht sämtliche Unterlagen der letzten Jahre zur Prozessvorbereitung durchlesen, argumentierte er.
Auch den Begriff "Nobelkarossentod" (so wurde der Typ des angeblich verwendeten Brandsatzes bezeichnet) kenne er nicht aus den Akten, sondern nur aus der Presse, sagte er dem fragenden RA Hoffmann. Auf den Vorhalt, dass in dem Behördenzeugnis des einen Angeklagten erwähnt ist, dass dieser in militante Aktionsfelder und das Gegeninformationsbüro (GIB) eingebunden sei, antwortete der Zeuge mit einer Darstellung des GIB. Dieses sei zu Zeiten des Jugoslawienkrieges damit beschäftigt gewesen, andere Informationen als die in der Öffentlichkeit bekannten zu verbreiten. Zu den aktiven Personen des GIB konnte der Zeuge nur die Angabe machen, dass Männer und Frauen dort eingebunden waren. Wie er auf die Einstufung des GIB als "autonom, gewaltbereit" kam, konnte er nicht sagen. Auch zu der Frage ob das GIB zu den stärker überwachten Strukturen gehöre, konnte er keine Angaben machen.
RA Hoffmann befragte Remberg weiter, wie das BfV zur Einschätzung kommt, die mg sei sehr konspirativ und die Mitglieder verhielten sich so, dass sie nicht ins Visier der Ermittlungsbehörden gelangten. Auch dazu konnte der Zeuge jedoch keine Angaben machen. Er wisse auch nichts über das mg1-Verfahren, sei aber über die Ereignisse im Sommer 2007 informiert.
In der weiteren Befragung erkundigte sich RA Hoffmann über die Erkenntnisse über die Gruppe Mücadele. Diese hatte Bezug auf ehemalige Angehörige der RAF genommen. Daraus zieht das BfV den Schluss, dass Mücadele Militanz als ein geeignetes Mittel betrachte. Wer (ehemalige) RAF-Mitglieder unterstütze, ohne sich ausdrücklich von Gewalttaten zu distanzieren, der erkenne damit auch deren Mittel an.
Als der Zeuge entlassen werden sollte, erhoben RA Hoffmann und RAin Weyers Widerspruch, da es noch offene Fragen gebe, die der Zeuge aufgrund mangelnder Vorbereitung z.Z. nicht beantworten könne. Sie beantragten einen Gerichtsbeschluss dazu. Nach wenigen Minuten fasste das Gericht den Beschluss, dass der Zeuge entlassen werden könne. Falls noch weitere Fragen bestehen, können die RA diese schriftlich dem Gericht übergeben, welches sie an das BfV weiterleitet, wo dann über die Beantwortung entschieden werden könne.
Nach der 1 1/2 stündigen Mittagspause entschied Hoch, nachdem er erst davon ausging das die RA die bisher fehlenden nun endlich erhaltenen, Sachstandsberichte im Umfang von ca. 500-600 Seiten bis zum nächsten Tag 9:00 Uhr durcharbeiten, nach deren Protest, dass der Zeug Damm, der für Donnerstag geladen war, zum nächsten Mittwoch umgeladen wird.
Weiter ging es mit der Vernehmung des Zeugen KHK Hans Heider, 36 Jahre alt, BKA. Dieser hatte an der Hausdurchsuchung eines Angeklagten teilgenommen, sowie am Gefangenentransport nach der Festnahme. Die geplante Ausgangslage bei der Hausdurchsuchung war, dass das LKA das Objekt sichern sollte. Es kam jedoch so, dass die Wohnung entgegen der Absprache schon von LKA-Beamten durchsucht worden war, als Heider eintraf. Die Wohnung sei "von A bis Z" durchsucht worden. Problematisch war, dass nicht mehr festgestellt werden konnte, welche Asservate wo gefunden und von wem zusammengetragen wurden. Die Asservate wurden zentral im Wohnzimmer der Wohnung verwahrt. Es wurden EDV-Material, Mobiltelefone und diverse schriftliche Aufzeichnungen sichergestellt. Außerdem wurden im Keller zwei in einer Plastiktüte befindliche Kanister sichergestellt. Der Zeuge konnte sich nicht mehr an Einzelheiten der Asservate erinnern, auch nicht an einen Kassenbon eines Drogeriemarktes, der den Kauf von Gefrierbeuteln auswies. Die Asservatenliste habe er gemeinsam mit Frau Diekmann erstellt. Dies gestaltete sich wie folgt: Die Asservate wurden von dem zentralen Sammelplatz in der Wohnung einzeln herausgenommen, dann wurde festgestellt, wer das Asservat wie sichergestellt hatte, dann wurde es in eine Tüte gepackt und nummeriert. Auch Angaben zur Wohnung konnte der Zeuge nur in begrenztem Rahmen machen. Die Wohnung hätte ein Bad sowie große Fenster im Wohnzimmer, aus denen man rausschauen konnte, gehabt. Mitbewohner seien ihm unbekannt. Es wurden Skizzen der Wohnung, aber keine Fotos angefertigt.
Zu Gesprächen mit den Festgenommenen währende des Gefangentransports machte Heider kurze Angaben. Es seien gerichtlich nicht relevante Gespräche geführt worden. Auch an äußere Verletzungen eines Angeklagten könne er sich nicht erinnern.
Der Zeuge Heider wurde nach Ende der Befragung entlassen.
Nächster Prozesstermin ist Donnerstag, der 26. Februar 2009 um 14 Uhr mit KOK Achilles vom BKA als Zeugen.