Bericht vom achten Prozesstag (30.10.08)

Pünktlich um 09:00 Uhr eröffnete der Vorsitzende Hoch den heutigen achten Prozesstag. Angesetzt war die Vernehmung zweier ZeugInnen, der Ermittlungsführerin Ulrike Alles (KHK in, BKA Meckenheim) und dem Arbeitgeber eines der Angeklagten. Neben den Zeugenvernehmungen war der Verhandlungstag vor allem von Anträgen der Verteidigung geprägt.

Vor der ersten Befragung stellte Rechtsanwalt Herzog einen Beweisantrag, um die ProzessbeobachterInnen des BKA als Zeugen zu hören. Diese Beobachter sind neben Schulungszwecken dafür abgestellt politischen Entscheidungsträgern und dem BKA Informationen über den Prozessverlauf und das Umfeld (ZuhörerInnen) der Beschuldigten zu liefern. Es wird davon ausgegangen, dass allen interessierten BKA-MitarbeiterInnen diese Daten zur Verfügung stehen, auch zukünftigen ZeugInnen der Behörde. Eine Kontrolle über den Informationstransfer sei so in keiner Weise gegeben, laut Herzog. Ohne den Antrag überhaupt zu kommentieren stellte der Vorsitzende die Entscheidung über diesen Antrag bis auf weiteres zurück und rief den Arbeitgeber eines Beschuldigten in den Zeugenstand.

Bevor die Befragung des Zeugen beginnen konnte erklärte dieser, er könne nicht unbefangenen aussagen, da sich bewaffnete Polizisten und Beamte mit Ermittlungsauftrag im Saal befinden. Die Verteidigung ergänzte, dass dem Zeugen keine Einsicht in die ihn betreffenden Akten gewährt wurde. Zusätzlich werde der Druck auf den Zeugen potenziert, wenn er nicht wisse, ob auch gegen ihn ermittelt werde. Zeugenbeistand Franzika Nedelmann beantragte, die BKA-Beamten mit Ermittlungsauftrag während der Vernehmung ihres Mandanten von der Verhandlung auszuschließen. Ein Rechtsanwalt der Angeklagten erklärte zusätzlich, dass die Anwesenheit von bewaffneten Beamten und das Kopieren der Ausweise des Publikums auch die Öffentlichkeit abschrecken und die Rahmenbedingungen des Prozesses insgesamt an Staatsschutzprozesse in der Türkei erinnern würden.

Nach einer kurzen Pause lehnte der Vorsitzende den Antrag der Anwältin Nedelmann als unzulässig ab, da dem Zeugen kein Antragsrecht zustehe. Auf Nachfrage der Anwältin erklärte der Vorsitzende den Zeugen zu Lebensumständen, Verdienstmöglichkeiten und persönlichen Verhältnissen eines Angeklagten befragen zu wollen. Letztendlich führten der Vorsitzende und die Bundesanwaltschaft (BAW) die Befragung zu den angekündigte Themen nicht durch. Dem Zeugen wurde ein weitgehendes Zeugnisverweigerungsrecht nach § 55 StPO eingeräumt. Nach zwei unbeantworteten Fragen verlas der Vorsitzende die schriftliche Erklärung des Zeugen von 2007, in der dieser gegen die Durchsuchung seines Geschäfts und die damit im Zusammenhang stehende negative Presse protestierte. Zudem erklärt er darin, dass er kein privates oder politisches Verhältnis zum Angeklagten habe. Nach Bestätigung der Erklärung und ohne weitere Angaben zu machen, verließ er den Zeugenstand unvereidigt.

Vor dem Hintergrund der begrenzten Aussagemöglichkeiten der Zeugin Alles bei ihrer letzten Vernehmung (sechster Prozesstag, 16.10.08) forderte die Verteidigung den Vorsitzeden Hoch auf alle Mittel auszuschöpfen, um den Rahmen für eine umfassendere Befragung der Zeugin und aller weiterer Zeugen des BKA's zu klären. Dieser Antrag wurde durch weitere Erklärungen der VerteidigerInnen ergänzt. So solle Entlastendes nicht zurückgehalten werden nur um die Funktion einer Behörde zu verbessern. Der Vorsitzende Hoch behauptete daraufhin, dies seien Fragen, die das Verwaltungsgericht zu klären habe. Es folgte ein kleiner Disput, indem die BAW die Anträge der Verteidigung als „Kuddelmuddel“ bezeichnete und sich nicht in der Lage sah eine Stellungnahme abzugeben. Die Verteidigung forderte den Vorsitzenden Hoch auf, noch vor Beginn der Zeugenbefragung die Eckdaten und Reichweite der Aussagegenehmigung der BeamtInnen des BKA zu klären. Dies wies dieser, nach Beratung mit dem Senat, zurück.

Die Zeugin Alles machte vor Beginn ihrer Befragung eine Ergänzung zur letzten Vernehmung, da sie sich dort an einen bestimmten Themenkomplex nicht erinnern konnte. Die Verteidigung begann die Zeugin zu einem „Vorbereitungstreffen“ für den Prozess, in ihrer Dienststelle zu befragen. Auch zu Unterlagen vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), die dort übergeben wurden, die auch der Zeuge KOK Heim gestern erwähnt hatte, kamen zur Sprache. Sie gab lediglich an, ihr seien vom BfV Unterlagen bezüglich Axel H. übersandt worden, die vom BfV als nicht gerichtsverwertbar eingestuft worden seien. Diese würden beim BKA mit einem Aktenzeichen versehen und - je nach „Geheimhaltungseinstufungsgrad“ durch das BfV - dort in einem Panzerschrank weggeschlossen. Viele Fragen, die sich auf die Unterlagen des BfV bezogen, beantwortete die Zeugin nicht, da sie nicht durch ihre Aussagegenehmigung gedeckt seien.

Da der Vorsitzende die Protokollierung des oben Beschriebenen verwehrte, beantragte die Verteidigung einen Gerichtsbeschluss darüber, ob das Gesagte ins Protokoll aufgenommen werden kann. Die Verteidigung hielt dies auch deswegen für notwendig, weil sie befürchtet, dass der Prozess durch den BfV gesteuert wird. Nach einer kurzen Unterbrechung lehnt der Vorsitzende die Forderung nach dem Gerichtsbeschluss ab, mit der Begründung, dass der genaue Wortlaut an dieser Stelle nicht maßgeblich sei.

Nachfolgend wurden der Zeugin mehrere Fragen zum Ablauf der Ereignisse am 31.7.07, dem Festnahmetag der drei Angeklagten, und ihrer Funktion als Entscheidungsträgerin gestellt. Sie zog sich in ihren Aussagen wiederholt darauf zurück an diesem Tag „hier und da Telefonate gehabt“ zu haben, sprach von dem von ihr veranlassten Einsatz verschiedener Observationsteams, ohne genauer zu beantworten, aufgrund welcher Informationen sie Entscheidungen traf. Die Schritte, die letztendlich zur Festnahme der drei Angeklagten führten wurden auf diese Weise nicht nachvollziehbar. Deshalb beantragte die Verteidigung eine kurzfristige Herbeiziehung der von der Zeugin gemachten Notizen dieses Tages, die sich nicht in den zur Verfügung gestellten Akten befinden. Auf diese Forderung reagierte die BAW empört: „Was Aktenteil wird, kann nicht mal so eben hopplahopp entschieden werden. So geht das nicht ... ich kann verstehen, dass die Anwälte interessiert, was in unseren Schubladen liegt.“

Die Mittagspause wurde verlängert, um die „Öffentlichkeit herzustellen“. Die AnwältInnen erläuterten nochmals die Bedeutsamkeit der fehlenden Notizen der Zeugin Alles im Hinblick auf die Observationslücken am Tag der Verhaftung. Der Vorsitzende stellte die Entscheidung über die Herbeiziehung der für die Beweisaufnahme erheblichen Notizen der Zeugin zurück. Im Folgenden wurde die Zeugin genauer zu den nicht gerichtsverwertbaren Unterlagen des BfV befragt. Ein Teil dieser Unterlagen sei vom BKA an die BAW geschickt worden, um dort zu prüfen, inwieweit die BAW intervenieren könne, um diese Unterlagen für das Verfahren verwendbar zu machen. Hier griff der Vorsitzende Hoch ein, er legte der Zeugin nahe, dass sie nicht Aussagen müsse, wenn es nicht von ihrer Genehmigung gedeckt sei. Die Zeugin bedankte sich anschließend für diesen Hinweis. Nachdem die Protokollierung durch den Vorsitzenden abgelehnt wurde, stellte die Verteidigung einen weiteren schriftlichen Antrag auf Protokollierung des beschriebenen Themenkomplexes.

Danach beendete der Vorsitzende den Prozesstag. Die Zeugin Alles wurde erneut für den 10.12.08, 9:00 Uhr geladen.

Nächster Prozesstermin am 05.11.08 um 9 Uhr

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