Bericht vom siebten Prozesstag (29.10.2008)
Pünktlich um 9.00 Uhr eröffnete der Vorsitzende Richter Hoch die Verhandlung und ein zäher siebter Prozesstag begann. Der längere Teil des Tages wurde von der Verlesung von Behördengutachten zur Spurensicherung, DNA-Proben und Vergleichen, Tatortuntersuchungen etc. eingenommen. Am Nachmittag folgte die Vernehmung des BKA-Beamten KOK Raimond Heim, der speziell für die Sachbearbeitung bezüglich des Beschuldigten Axel H. zuständig war.
Die Verlesung der behördlichen Gutachten begann mit der sehr langen Asservatenliste. Es folgten die Auswertungen der Asservate: Genommene DNA-Spuren, Faserreste und Flüssigkeiten wurden mit sichergestellten Objekten verglichen. Das Gros der Gutachten kam zu dem Schluss, dass Proben nicht eindeutig zuzuorden waren, dass aber auch nicht auszuschliessen sei, dass die Beschuldigten die Verursacher sind. So zum Beispiel am Tatort gesicherte Faserproben. Insgesamt wurden 23 Proben am Tatort genommen um sie mit der Kleidung der Beschuldigten zu vergleichen. Allerdings konnten nur 6 indigoblaue Baumwollfasern zugeordnet werden. Bei diesen Fasern handelt es sich um Fasern von gewöhnlichen blauen Jeanshosen. Auch das behördliche Gutachten räumte ein, dass diese nicht zum Kontaktnachweis herangezogen werden können, da blaue Jeans ja doch weit verbreitet sind. Ausgeschlossen werden kann der Kontakt jedoch auch nicht.
Auch das Gutachten zu den im Auto gefundenen Benzinkanistern brachte kein klares Ergebnis:die Untersuchung auf brennbare Flüssigkeiten legte dar, dass keine Flüssigkeitsreste in den Kanistern vorhanden waren und nur "flüchtige Komponenten von Ottokraftstoff" festgestellt werden konnten. Es bedurfte mehrerer aufwendiger chemischer Verfahren wie dem"Soldifacemicroextraction (SFME)", um festzustellen, dass es sich bei der Substanz um Benzin handelt. Auch hier gilt das Gleiche wie bei den oben genannten Jeansfasern: Benzin ist weit verbreitet.
Desweiteren wurden sichergestellte Beutel auf vermutliche Brandbeschleunigerreste untersucht. Diese Beutel waren den Beschuldigten nach ihrer Festnahme über die Hände gezogen und mit Klebeband luftdicht verschlossen worden um gasförmige Reste von Brandbeschleunigern feststellen zu können. Das Gutachten sagte hierzu, dass es sich bei den sichergestellten Proben um "körpereigene Produkte oder Reste von Kosmetika" handelt, jedoch Brandbeschleuniger nicht festgestellt werden konnte. Zur Beweisaufnahme werden die Rechtsanwälte später eine Erklärung abgeben.
Das nächste Gutachten galt der Brandvorrichtung an sich: Aufbau und Funktion. Es wurde jedoch unterbrochen, da der Vorsitzende Richter Hoch hier auf den von der Bundesanwaltschaft mitgebrachten Aktenordner mit farbigen Lichtbildern der Asservate hinwies. Bislang standen der Verteidigung nur Schwarz/Weiss-Kopien in schlechter Qualität zur Verfügung, wie bereits beim Prozessauftakt von den Rechtsanwälten bemängelt wurde. Richter Hoch ordnete eine halbstündige Pause an, in der diese Bilder für die Anwälte kopiert werden sollten, die zur Mittagspause verlängert wurde, damit sie Zeit zur Einsicht der Bilder hatten.
Nach der Mittagspause folgte eine Erklärung der Anwälte zur Beweisaufnahme: Die von ihnen gesichteten Farbfotos seien erhellendes Material auch zu Themen und Zeugen, die bereits befragt und verhandelt wurden. Daher muss dieses Material erneut geprüft und Zeugen gegebenenfalls neu geladen werden. An die BAW gerichtet sagten sie, dass es einen schalen Beigeschmack hat, dieses Material erst jetzt zu sehen.
Desweiteren erklärten die Anwälte zusammenfassend, dass die verlesenen Gutachten keine eindeutigen Hinweise ergaben. Selbst die Zuordnung der Konstruktion der Brandvorrichtung zur militanten gruppe wurde von den Gutachtern des BKA selbst widerlegt: Der Aufbau entspreche der Bauweise benutzt durch die Gruppierung Klasse gegen Klasse.
Es folgte eine kurze Pause, nach der der BKA-Beamte Heim vernommen wurde. Heim ist zuständig für die Sachbearbeitung von Axel H. gewesen und wurde zu Beginn vom Vorsitzenden Hoch nach einigen Lebensumständen von Axel gefragt und nach den Durchsuchungen an denen er teilgenommen hat. Heim sagte aus, dass er weitgehende Informationen zu Axel H. vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) erhalten habe, wobei diese nur zum Teil öffentlich und im Prozess verwendet werden dürften. Weitergehende Aussagen seien von seiner Aussagegenehmigung nicht gedeckt.
Als der Vorsitzende den Zeugen nach einer Tonbandaufnahme eines mitgeschnittenen Telefongespräches, die Heim einem anderem Beamten vorgespielt hatte, befragen wollte, intervenierten die Rechtsanwälte. Sie beanstandeten, dass sie vorher die Aufnahme hören sollten oder aber das davon abgesehen wird, den Zeugen zu dieser Aufnahme und seiner Wahrnehmung zu befragen. Der Richter lehnte dies ab. Von den Rechtsanwälten nach dem Ursprung der Aufnahme befragt, konnte er nicht aussagen, von wem dieser "Lauschangriff" angeordnet wurde. Die Anwälte forderten daraufhin, Heim solle seinen Vorgesetzen anrufen, um zu klären ob und in welchem Punkt er nicht aussagen dürfe.
Nach kurzer Pause fuhr der Vorsitzende mit der Befragung fort und wollte von Heim wissen, weshalb er die Tonaufnahme einem anderen Beamten vorgespielt hat. Heim sagte, er glaubte auf dem Tonband "unser Br...nd...schl..g" gehört zu haben und wollte ein zweite Meinung. Natürlich sagte er vorher dem anderen Beamten nicht, was er glaubte gehört zu haben. Dieser und auch eine phonetische Textanalyse konnten jedoch den Verdacht Heims nicht bestätigen: Die Analyse spricht von fehlender Qualität, fehlendem Kontext, einem unverständlichem vorangegangenem Wort (unser) und dass ein anderer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden kann.
Zu diesem Zeitpunkt erhielt Heim den Rückruf seiner Dienststelle. Viel Erhellendes brachte dieser nicht. Der Disput, wie weit seine Aussagegenehmigung geht wurde nicht endgültig geklärt. Auf nochmalige Nachfrage der Rechtsanwälte, sagte Heim aus, dass er die Genehmigung habe, zu diesem Verfahren im Rahmen des Bestandes der Akten auszusagen, darüberhinaus aber nicht. Auf die Nachfrage, ob er denn den vollständigen Bestand der Akten kenne, sagte Heim, dass dies nicht der Fall sei.
Nachdem der Zeuge wiederholt keine Angaben machte, wobei er sich auf seine beschränkte Aussagegenehmigung berief, stellt ihm die Verteidigung einige Fragen zu dem Umfang dieser Genehmigung. Dabei verwies der Zeuge Heim auf eine "Erörterung der Tragweite" mit seinem Vorgesetzten über die Aussagegenehmigung. Hier stellt sich heraus, dass es vor Prozessbeginn bei seiner Dienststelle eine explizite Vorbereitung auf den Prozess gegeben habe. Die BAW versuchte hier einzugreifen, indem sie die Befragung für unzulässig erklärte. Der Richter Hoch ließ die Befragung jedoch zu. Es stellte sich heraus, dass diese Besprechung circa eine Stunde angedauert haben soll, er konnte jedoch nur inhaltlichen Stoff von etwa fünf Minuten wiedergeben. An den Rest konnte er sich nicht mehr erinnern.
Es folgte eine erneute Pause von 15 Minuten. Danach wurde die Vernehmung des Zeugen Heim auf den 13. November vertagt und die Verhandlung geschlossen.
Nächster Prozesstermin am Donnerstag, 30.10.08 um 9 Uhr.