Verteidigung im mg-Verfahren verzichtet auf Plädoyer: „Grenzen des Rechtsstaats erreicht“
An die Redaktionen
Innenpolitik, Berlin
Pressemitteilung
Verteidigung im mg-Verfahren verzichtet auf Plädoyer: „Grenzen des Rechtsstaats erreicht“
Im Verfahren gegen drei Berliner, denen vorgeworfen wird, als Mitglieder der militanten gruppe (mg) in Brandenburg (Havel) Bundeswehrfahrzeuge angezündet zu haben, wurden heute die Plädoyers der Verteidigung erwartet. Die AnwältInnen verzichteten und erklären dazu:
„Wir werden in diesem Verfahren mit den offenkundigen Grenzen des Rechtsstaats konfrontiert. Deshalb verzichten wir auf ein Plädoyer. Wir kapitulieren damit vor den politischen Vorgaben, die diesen Prozess bestimmen.
In diesem Verfahren ging es nie um eine unvoreingenommene Beweisaufnahme. Zu groß war der Druck, endlich Erfolge in Sachen mg vorweisen zu können, nachdem jahrelang erfolglos gegen die Gruppe ermittelt worden ist. Dieser Druck lässt sich in den Ermittlungen nachweisen und er wird sich - so unsere Befürchtung - im Urteil gegen unsere Mandanten niederschlagen.
Der Vorwurf der Mitgliedschaft in der »militanten gruppe«, der unseren Mandanten gemacht wird, beruht lediglich auf Indizien und auf Informationen des Verfassungsschutzes. Bereits einmal hat der Inlandsgeheimdienst in dieser Sache Beschuldigungen erhoben, die sich im Nachhinein als nicht haltbar erwiesen: Gegen drei Personen wurde 2001 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Nach zwei Jahren musste das Bundeskriminalamt (BKA) feststellen, dass die umfangreichen Ermittlungen zu keinerlei brauchbaren Erkenntnissen geführt hatten. Das Verfahren wurde erst fünf Jahre später eingestellt. Am Ende hieß es lapidar: Der Anfangsverdacht habe nicht erhärtet werden können. Der Anfangsverdacht, nur zur Erinnerung, war ein Tipp des Verfassungsschutzes.
Spätestens ab Sommer 2006 verfolgte das Bundeskriminalamt einen weiteren Ermittlungsansatz. Nach Auffassung der Verteidigung nahm es gezielt das Umfeld der Zeitschrift »radikal« ins Visier in der Hoffnung, darüber auf die Spur der militanten gruppe zu kommen. Im Zuge dieser Ermittlungen stieß das BKA auf unsere Mandanten. Die restlichen Ermittlungsverfahren in diesem Zusammenhang sind inzwischen bis auf eines ebenfalls eingestellt, weil keine »ausreichenden Beweismittel« für eine Einbindung der Beschuldigten in die mg erbracht wurden.
Nun kann man unseren Mandanten im strafrechtlichen Sinne für schuldig halten, einen Brandanschlag auf Fahrzeuge der Bundeswehr verüben zu wollen. Stichhaltige Belege, dass sie Mitglieder der mg waren, hat dieses Verfahren nicht zutage getragen. Vielmehr hat das Gericht alle Punkte, die an der Version der Bundesanwaltschaft (BAW) kratzten, beiseite geschoben. Gleichzeitig war das Verfahren von Anfang an gekennzeichnet durch die Stigmatisierung von Angeklagten und Prozessbesuchern, Aussagebeschränkungen seitens der Beamten, verkleidete Zeugen und unvollständige Akteneinsicht. Wo der Senat dies nicht selbst zu verantworten hatte, hat er es versäumt, sich gegenüber den Vorgaben von BKA und BAW zu behaupten. Ein Verhalten, das zulasten unserer Mandanten ging und mit einem rechtsstaatlichen Verfahren nichts zu tun hat.
Wir haben die Hoffnung aufgegeben, mit unseren Argumenten vor Gericht Gehör zu finden. Weil wir den Eindruck gewonnen haben, gegen den politischen Druck nichts ausrichten zu können, haben wir uns dazu entschlossen, nicht zu plädieren.“
Rechtsanwälte Franke, Herzog, Hoffmann, Lindemann, Schrage und Rechtsanwältin Weyers für die Verteidigung