Veranstaltungen und Aktionen

aus dem Buch "Das zarte Pflänzchen der Solidarität gegossen. Zu den Verfahren und dem Prozess wegen Mitgliedschaft in der militanten gruppe (mg)", S. 40ff, ISBN 978-3-942885-00-3, edition assemblage, März 2011.

Neben der Pressearbeit haben wir Solidarität und Gegenöffentlichkeit über Veranstaltungen organisiert und so Menschen direkt über den Stand des Verfahrens informiert und uns und ihnen damit Raum für Diskussionen geboten. So gab es ab August 2007 öffentliche Treffen in Berlin, bundesweit eine zweistellige Zahl von Soli-Partys, Kundgebungen und Demos sowie weit über 50 Infoveranstaltungen zum mg-Verfahren mit Schwerpunkten auf §129a, Überwachung, Gentrifizierung und/oder Antimilitarismus.

Unsere größte eigene Veranstaltungsinitiative war die Infotour im April 2008. Beschuldigte und Genoss_innen aus dem Einstellungsbündnis waren bundesweit und international unterwegs und berichteten über die §129-Verfahren wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in der militanten gruppe. An der Infotour und an Veranstaltungen mit uns gab es großes Interesse und wir konnten viele Interessierte direkt erreichen. Wir kamen mit ihnen in Austausch und nahmen Gedanken und Anregungen mit zurück. Die Kapazitäten gaben es leider nicht her, noch eine zweite Infotour durchzuführen. Viele, aber nicht alle Anfragen nach einer/m Referent_in konnten wir erfüllen.

In Berlin haben wir mehrere Veranstaltungen gemacht, darunter drei „große“, bei denen das Bündnis zweimal in die Volksbühne, ein Theater am Rosa-Luxemburg-Platz, und einmal in die Humboldt-Universität eingeladen hat, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen.

Die erste Veranstaltung in der Volksbühne unter dem Titel: „Ist jetzt alles Terrorismus?“ fand am 30. September 2007 statt. In dem mit rund 500 Besucher_innen voll besetzten Theaterhaus sprachen Rolf Gössner, Christina Clemm, Fritz Storim und Roland Roth über die politische Dimension des §129a und die Bedeutung des aktuellen Verfahrens. Außerdem wurde eine Erklärung verlesen, die einer der drei Gefangenen verfasst hatte. Konkret organisiert wurde diese wie auch die anderen Veranstaltungen in Arbeitsgruppen, gemeinsam von Leuten aus dem Bündnis und von außerhalb. Auch deshalb wurde die Ausrichtung teils erst im Nachhinein diskutiert bzw. darin spiegelten sich die Kontroversen innerhalb des Bündnisses wider. So setzte die erste Veranstaltung dem Bild, es gehe um kritische Wissenschaft, insgesamt nicht viel entgegen. Bewusst wurden Wissenschaftler_innen eingeladen, um über die politische Dimension des §129a zu sprechen. Lediglich am Ende wurde aus dem Publikum ein positiver Bezug auf den versuchten Brandanschlag auf Bundeswehrfahrzeuge hergestellt – mit anschließendem starken Applaus.

Auch die zweite – ebenfalls gut besuchte – Veranstaltung in der Volksbühne „Wir sind alle Terroristen“ stellte die §§129/a in den Vordergrund, diesmal aus der Sicht derjenigen, die bereits in der Vergangenheit oder zu dem Zeitpunkt aktuell von Ermittlungen nach den Ausforschungsparagrafen betroffen waren. Sie stellten heraus, welche Auswirkungen Überwachung und Repression auf die Betroffenen haben und versuchten die aktuelle Repressionswelle seit dem G8-Gipfel in Heiligendamm zu analysieren. Mit dem konkret vorgeworfenen Brandanschlag setzte sich das Podium nicht auseinander.

Die dritte große Veranstaltung „Alles was uns fehlt ist die Solidarität“ am 7. Juli 2009 in der Humboldt-Uni war wie die beiden vorherigen gut besucht. Im Fokus stand unser Resümee über zwei Jahre Solidaritätsarbeit und eine mögliche Vernetzung. In diesem Rahmen etablierte sich auch ein Treffen verschiedener Soligruppen, die sich bis heute im Antirepressionsforum regelmäßig austauschen. Es war ein weiteres Beispiel, dass sich Solidarität am Thema Repression organisieren kann. An Kritik haben wir gehört, dass wir uns nicht so präsentiert haben, dass bei den Zuhörer_innen der Eindruck entstand: „Cool, bei denen im Einstellungsbündnis will ich mitmachen!“ Wir wurden auch anschließend nicht mehr Aktive.

Aber das heißt nicht, dass wir keine Unterstützung hatten. Nach den anfangs erwähnten Knastkundgebungen und den Veranstaltungen in der Volksbühne, einer Ausstellung zu „Was ist eigentlich Terrorismus?“ fanden anlässlich des mg-Prozesses Kundgebungen zum Prozessbeginn, die antimilitaristische Tatortinspektion zu MAN nach Brandenburg sowie ein Aktionstag im Dezember 2008 und Kundgebungen am Tag der Urteilsverkündung im Oktober 2009 statt. Dabei wurde das Einstellungsbündnis stark von außen unterstützt. Ohne dieses Engagement hätten die Aktivitäten nicht stattgefunden.

Während wir im Bündnis anfangs noch unser Verhältnis zu konkreten Abrüstungsinitiativen diskutierten, konnten andere Gruppen schon mal los legen.
Besonders deutlich wurde der große Vorteil solcher zusätzlichen – nicht im direkten Zusammenhang mit den Beschuldigten oder Angeklagten entwickelten Initiativen am Beispiel der Veranstaltung „Kriegsgerät interessiert uns brennend“. Ihre Organisator_innen konnten anders als das Einstellungsbündnis, das immer neu aushandeln musste, was eine politische Äußerung für die einzelnen Beschuldigten bedeutet, von Beginn an anders agieren. Sie haben sich selbst Gedanken gemacht, wie sie mit der Sache umgehen wollen, sich selbst zu den Beschuldigungen und bekannten Tatsachen ins Verhältnis gesetzt und mit der Vorbereitung für diese Veranstaltung ihre Konsequenz gezogen. Das hat uns gefreut, besonders diejenigen, die gerne das Thema Antimilitarismus gestärkt hätten, innerhalb des Bündnisses aber noch in Diskussionen dazu steckten, damit wir im Konsens handlungsfähig sein konnten.

Zuletzt waren im Bündnis neben den Angeklagten Menschen aus unterschiedlichen linken Gruppen aktiv. Nicht alle erschienen regelmäßig und beteiligten sich an den anstehenden Aufgaben. Einige initiierten punktuell schöne und wichtige Initiativen und setzten sie in Absprache mit dem Einstellungsbündnis um. Dazu gehörte die Mobilisierung zum Prozessende, insbesondere zum Tag X, dem zunächst undatierten Tag der Urteilsverkündung. Nach dem Urteil im mg-Prozess am 16. Oktober 2009 gab es in mehreren Städten teils spontane Demonstrationen und militante Aktionen. Über 1000 Menschen gingen auf die Straße, in Erfurt und Berlin brannten Fahrzeuge des Kriegslogistikers Deutsche Post/DHL.

Wir haben uns immer gefreut, wenn Themen aufgegriffen wurden, die das Verfahren berühren. Und es gab immer wieder große und kleine, oft temporäre Zusammenhänge um das Bündnis herum, die mit mehr oder weniger Kontakt zum Einstellungsbündnis arbeiteten. Diese „Satelliten” waren zusammengenommen weitaus größer als das Einstellungsbündnis. Während das Einstellungsbündnis personell kleiner wurde, hörten wir immer mal wieder von Initiativen außerhalb unseres Kreises. Das war ein gutes und wichtiges Phänomen. Sie hatten die Freiheit, unabhängig von der Auffassung von Beschuldigten und ihren Rechtsanwält_innen und eventuell vorhandener Loyalität politisch zu agieren. Sie schufen Öffentlichkeit, machten eigenständig Plakate oder Veranstaltungen und konnten damit schneller als das Bündnis politisch Position beziehen.

Unterstützt und geholfen hat uns auch das Haus der Demokratie und Menschenrechte, das uns in seinem Gebäude im Prenzlauer Berg ein Büro mit allem Drum und Dran, einen Briefkasten und Räume für unsere wöchentliche Treffen zur Verfügung stellte; zudem die Organisator_innen der zahlreichen Veranstaltungen über das mg-Verfahren in der ganzen Bundesrepublik und einzelnen anderen europäischen Ländern. Darüber hinaus gab es zahlreiche Initiativen, die Geld in die leeren Kassen des Einstellungsbündnisses brachten: Kiezbingo im SO36, T-Shirts mit antimilitaristischem Logo: „Kriegsgerät interessiert uns brennend“, der Soli-Sampler „Out of Control“ und Konzerte.

Letztlich wollen wir hier auch die Aktivistinnen und Aktivisten würdigen, die mit zahlreichen Aktionen, von militanten Anschlägen bis zum Aufhängen von Transparenten, ihre Solidarität ausdrückten. Ohne all diese Initiativen hätte das Einstellungsbündnis nicht diese Wirkung entfalten können und wäre nicht das geworden, was es war. Ohne sie hätten wir das Thema und den Prozess nicht so breit in die Öffentlichkeit bringen können.

Soliarbeit kostet auch Geld. Insgesamt ist ein fünfstelliger Betrag auf den Soli-Konten eingegangen. Das Geld kam eher in vielen kleinen Beträgen zusammen, gespendet haben hauptsächlich das politische Umfeld und politisch Aktive.

Höhere Einzelspenden sind ausgeblieben. Der Soli-Sampler brachte den größten Einnahmebatzen. Mit den Spenden haben wir die Beschuldigten unterstützt und unsere Arbeit rund um Mobilisierung, Öffentlichkeitsarbeit und den Prozess finanziert. Das übrige Geld wird für Kosten, die während der anstehenden Haft entstehen, eingesetzt.