„Nichts dümmer als die Begründung dieser Urteile. Was in Moabit an Moral gelehrt wird, gehört auf den Kehrichthaufen.” Tucholsky

In dem politischen Urteil gegen die drei Angeklagten erklärte der Vorsitzende Richter Josef Hoch, dass sich aus der angeklagten Tat in Brandenburg (Havel) keine antimilitaristischen Ziele erschließen würden. Er sprach von "tendenziöser Berichterstattung", weil die Medien schrieben, dass mit dem Prozess Antimilitaristen kriminalisiert werden sollen.

Das Kammergericht schloss sich der Begründung und empfohlenen Strafhöhe der Bundesanwaltschaft (BAW) an: 3 Jahre und 6 Monate für Axel und Oliver, 3 Jahre für Florian. Die Anwälte kündigten Revision an. Bis zur Entscheidung darüber bleiben die drei unter Auflagen in Freiheit.


Pressespiegel:

In unserem Pressespiegel finden sich Pressemeldungen. Hingewiesen wird hierbei insbesondere auf einen taz-Artikel mit der treffenden Überschrift "Urteile wie verlangt" sowie einen ausführlichen Indymedia-Bericht über die Urteilsverkündung: http://de.indymedia.org/2009/10/263536.shtml


Erklärung des Einstellungsbündnisses:

Presseerklärung: Urteilsverkündung im Berliner mg-Prozess

"Antimilitarismus lässt sich nicht verurteilen"

Vor über einem Jahr begann der Prozess gegen Axel, Florian und Oliver als vermeintliche Mitglieder der "miltanten gruppe". Alle drei waren gemeinsam mit Andrej im Sommer 2007 festgenommen worden. Die Ermittlungen gegen Andrej laufen weiter.

Heute wurden Axel, Oliver und Florian für eine versuchte Brandstiftung als vermeintliche Mitglieder der militanten gruppe zu 3,5 bzw. 3 Jahre Haft verurteilt. Sie verlassen den Gerichtssaal nach über 60 Verhandlungstagen ohne jegliche Einlassungen und sollen für ihren entschlossenen Widerstand gegen die deutsche Kriegspolitik bestraft werden.

Das Bündnis zur Einstellung der 129 (a)-Verfahren hat seit den Verhaftungen 2007 die Entwicklungen und den Prozess politisch begleitet. Dabei stand für uns neben der Thematisierung von Überwachung und Verfolgung von politischen Aktivisten seit Prozessbeginn vor allem das Thema Antimilitarismus im Vordergrund.

Wir wollen an dieser Stelle deshalb auch nicht auf die diesem Urteil zugrunde liegenden abenteuerlichen Indizienketten von BAW und Gericht eingehen. Auch nicht auf die Schikanen gegenüber den Besucher_innen. Nur soviel: aus unserer Sicht der Schritt der Anwälte, auf die Schlussplädoyers zu verzichten, folgerichtig und konsequent.

Trotz der aufgebauten Drohkulisse eines Sondergerichtes hat antimilitaristischer Widerstand in Deutschland während dieses Prozesses mehr Präsenz bekommen. In den vergangenen Jahren hat der Widerstand gegen Militäreinsätze und die zivil-militärische Zusammenarbeit zugenommen. Der Protest gegen den Krieg wird wieder deutlich entschlossener und geschlossener geführt, ohne dass friedliche Proteste und militanter Widerstand gegeneinander ausgespielt werden konnten. Das haben wir auch an der Solidarität gemerkt, die aus ganz unterschiedlichen politischen Spektren kam.

Dennoch ist es innerhalb des Prozesses nicht gelungen, die Frage nach legitimem Widerstand gegen Militäreinsätze zu stellen. Nur wenige Medien haben die politischen Beweisanträge thematisiert und in Verbindung gestellt mit dem, was tagtäglich in diesem Land und international passiert. Weder die Kriegseinsätze der Bundeswehr noch ihre Präsenz in Schulen, an Universitäten und auf den Straßen ­ wie 2007 in Heiligendamm ­ scheinen in den Zusammenhang zu den zunehmenden Protesten gestellt zu werden. In anderen Ländern wie zum Beispiel Irland gab es Freisprüche nach Sabotageakten gegen Kriegsgerät, explizit mit der Begründung, dass sie dazu beigetragen haben, Schlimmeres zu verhindern. Diese Debatte steht weiterhin aus. Wir freuen uns jedoch schon jetzt, dass die antimilitaristischen Kämpfe weitergehen werden.



Redebeitrag des Einstellungsbündnisses:

Wie wir es auch drehen und wenden, der heutige 16.10.2009 ist kein guter Tag für den antimilitaristischen Widerstand.

Während Lobbyisten und einige Bundesabgeordnete sich ihre Brötchen und ihre Rente mit dem einfädeln von Waffengeschäften und dem Vorbereiten und Führen von Kriegen sichern...

Während am 6. Oktober der Haftbefehl gegen den Waffenschieber Walter Schreiber aufgehoben wurde, der lediglich bestraft werden soll, weil er bei seinen schmutzigen Geschäften vergessen hat, Steuern zu bezahlen...

Während unterstützt durch die deutsche Außenpolitik der afghanische Schwarzmarkt mit 10.000 Walther P1 versorgt wurde und über die deutsche Polizeihilfe darüber hinaus die Ausbildung an dieser Waffe finanziert wurde …

Und während das deutsche Militär weiter in Afghanistan Zivilisten tötet...

... wurden Axel, Florian und Oliver als vermeintliche Mitglieder der "miltanten gruppe" für eine versuchte Brandstiftung zu 3,5 bzw. 3 Jahren Haft verurteilt. Sie verlassen den Gerichtssaal nach über 60 Verhandlungstagen ohne jegliche Einlassungen und sollen für ihren aktiven Widerstand gegen die deutsche Kriegspolitik bestraft werden.

Wir wollen an dieser Stelle nicht auf die diesem Urteil zugrunde liegenden abenteuerlichen Indizienketten von BAW und Gericht eingehen. Stattdessen möchten wir zwei Punkte herausstreichen.

Trotz Repression und Kriminalisierung hat antimilitaristischer Widerstand in Deutschland während dieses Prozesses mehr Aufmerksamkeit und Präsenz bekommen. Der Widerstand gegen den Krieg wird wieder deutlich entschlossener und geschlossener geführt, ohne dass friedliche Proteste und nicht gesetzeskonformer Widerstand gegeneinander ausgespielt werden konnten.

Auf der anderen Seite haben Repression, Kriminalisierung und Bestrafung von antimilitaristischem Widerstand deutlich zugenommen. Deutlich gewachsen ist auch der Druck gegen Totalverweigerer und alle diejenigen, die sich entschlossen dieser Politik entgegenstellen.

Wir sagen Euch allen – AnwältInnen, UnterstützerInnen und AntikriegsaktivistInnen – an dieser Stelle herzlichen Dank für Eure Solidarität und die tatkräftige Hilfe.

Aber wie ihr sicher wisst, es ist nicht vorbei:

Es ist ganz und gar nicht vorbei für Axel, Florian und Oliver. Es ist nicht vorbei für ihr privates und politisches Umfeld. Es ist nicht vorbei für all diejenigen, die sich auch morgen entschlossen und tatkräftig gegen diese zynische Politik wenden.

Nach dem Motto: "Was in Deutschland brennt, kann in Afghanistan keinen Schaden anrichten" bleiben wir solidarisch aktiv.

Das Einstellungsbündnis

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