Grußwort von Ex-Gefangenen im mg-Verfahren zum Aktionstag

Liebe GenossInnen und FreundInnen,
wir möchten als einige Ex-Gefangene aus dem mg-Verfahren den InitiatorInnen und TeilnehmerInnen des internationalen Aktionstages gegen staatliche Repression und Überwachung für ihr Engagement herzlich danken. Diese Initiative ist ein Ergebnis unserer monatelangen Informations- und Mobilisierungstour zum mg-Verfahren durch die gesamte Republik und einige angrenzende Länder. Wir wurden vielfach aufgefordert, einen dezentralen Aktionstag vorzuschlagen, an dem sich solidarische GenossInnen und FreundInnen vor Ort einbringen können. In einem halben Dutzend BRD-Städten sowie in Zürich und Wien wird es zum mg-Verfahren und darüber hinaus Veranstaltungen, Demonstrationen und weitere eigenständige Beiträge geben. Das motiviert hoffentlich nicht nur uns, über die Begleitung des § 129-Prozesses vor dem Berliner Kammergericht hinaus die Initiative zu behalten! Dass wir weiterhin mobilisiert zu bleiben haben, zeigt nicht erst der Staatsmord an Alexis in Athen!
Wir wurden als vermeintliche Angehörige der militanten gruppe (mg) wegen der Mitgliedschaft in einer sog. kriminellen Vereinigung nach § 129 angeklagt und sitzen uns seit dem 25. September dieses Jahres unsere Gesäßhälften im Sicherheitssaal des Berliner Landgerichts breit. Die mg ist seit 2001 eine der Gruppierungen aus der revolutionären Linken, die sich kontinuierlich und aktiv in einen Debattenprozess um die Organisierung militanter Politik und die Verknüpfung mit anderen Widerstandsbereichen in der BRD eingebracht hat. Von ihrer ideologischen Grundorientierung her sieht sie sich als einen sozialrevolutionär-antiimperialistischen Zusammenhang, der sich u.a. auf linkskommunistische Strömungen innerhalb der kommunistischen Bewegung stützt. Die Texte der mg sind über die Homepage des Berliner Einstellungsbündnisses einzusehen.
Das Verfahren gegen uns als vermeintliche mg-Mitglieder ist für den Aktionstag zwar der inhaltliche Aufhänger, aber es ist ganz in unserem Sinne dieses in den Kontext zu stellen, in den es gehört. Wir sehen uns seit dem G8-Gipfel in Heiligendamm mit einer Kette von staatlichen Repressionsschlägen konfrontiert. Mehrere Verfahren nach dem Gummiparagrafen 129a wurden eingeleitet, Tausende Menschen wurden aktenkundig und sind auf unbestimmte Zeit im Visier der Repressionsorgane der BRD. Dabei blieb bisher zu sehr im Hintergrund, das weiterhin die organisierte migrantische Linke im Fokus von BKA und Bundesanwaltschaft steht. Der aktuell laufende Prozess im traditionsbeladenen Bunker von Stuttgart-Stammheim gegen angebliche Führungskader der DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei - Front) ist nur ein Beleg dafür. Wir solidarisieren uns mit den fünf im Stammheimer Bunker Angeklagten, von denen zwei aufgrund der Isolationshaft schwerwiegende gesundheitliche Folgen davongetragen haben. Für einen der Angeklagten, für Mustafa Atalay, läuft eine Freilassungskampage, die es es zu unterstützen gilt!
Auch im internationalen Rahmen läuft die Repressionsmaschine. Seit Jahren ist die Initiative des Aufbaues einer Roten Hilfe International Ziel von Staatsschutzangriffen. So in Belgien und der Schweiz. In Belgien wurden u.a. ehemalige langjährige Gefangene, die sich in den 80er Jahren in der Stadtguerilla Kämpfende Kommunistische Zellen (CCC) organisierten, mit neuen Verfahren überzogen. In Italien befinden sich seit Monaten Mitglieder der Kommunistischen Partei politisch-militärisch, der PC p-m vor Gericht. Die PC p-m hat ihre organisatorischen Ursprünge in einer der Tradtionslinien der Roten Brigaden.
Die gefangenen Genossen aus der PC p-m haben uns in einer Grußbotschaft zu unserem Verfahrensauftakt geschrieben, dass der revolutionäre Prozess unter schlechten, aber häufigen Umständen durch Gerichtssäle und Knäste führt. Sie haben recht. Du hast deine politische Identität weder beim Betreten der Schleuse zum Gericht noch hinter der Knasttür abzugeben. Was so verdammt einfach daher gesagt klingt, ist umso schwerer Tag für Tag aufrechtzuerhalten.
Wir wissen, wovon wir reden. Aber vergegenwärtigen wir uns ein paar Banalitäten: Politisches Engagement für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung, d.h. in unserem Verständnis ´Für den Kommunismus´, das den vorgezeichneten Pfad der Gesetze der Klassenjustiz verlässt, wird den schlagenden Arm der Repressionsorgane zu spüren bekommen. Ohne zynisch wirken zu wollen, die Klassenjustiz hat nur dann ihre Aufgabe erfüllt, wenn sie die Ordnung von Ausbeutung und Unterdrückung zu schützen weiß.
Was haben wir dem entgegenzusetzen? Einiges und vieles, was auszubauen ist. Zunächst müssen wir verstehen, dass Anti-Repressionsarbeit kein Spartenprogramm unserer Aktivität sein darf. Wir denken, dass wir in der kommenden Zeit mit regelmäßigen Schüben staatlicher Gewalt zu rechnen haben werden. Daraus folgt, dass wir den aktiven Repressionsschutz direkt in unsere Politik als revolutionäre Linke aufnehmen müssen. Angeklagte und Gefangene aus unseren Reihen haben wir auch nicht in erster Linie als passive Opfer zu betrachten, die wir hauptsächlich als karikativen Sonderfall anzusehen haben. Gegenteilich. Geben wir ihnen den Raum, um sich als politisches Subjekt besser behaupten zu können. Dazu gehört u.a. eine Verteidigung der politischen und organisatorischen Hintergründe derjenigen, die Staatsschutzverfahren an der Backe haben oder bereits eingeknastet sind. Nein, keine uneingeschränkte Solidarität zu wem auch immer fordern wir hier ein.
Wir sprechen uns dafür aus u.a. Projekte wie die Rote Hilfe International zu unterstützen, die sich den Aufbau einer internationalistischen Klassensolidarität zum erklärten Ziel setzt; eine Initiative politische Antirepressionsarbeit mit dem Kampf gegen Kapitalismus und Imperialismus zu verbinden.
Viele, viele solidarische GenossInnen und FreundInnen würden wir an dieser Stelle unmittelbar danken wollen. Allein der Platz reicht innerhalb eines kleinen Redebeitrages nicht aus. Stellvertretend wollen wir uns an den Schweizer öko-anarchistischen Gefangenen Marco Camenesch wenden, der uns für den Aktiontag eine kämpferische Grußbotschaft zukommen ließ: Hey, lass uns zusammen unsere vielfältigen Waffen der Solidarität weiter schmieden!!
Freiheit für alle politischen und sozialen Gefangenen! Freiheit für Mustafa Atalay! Internationale Klassensolidarität aufbauen - Kapitalismus zerschlagen! Wir sehen uns morgen auf der Free Mumia-Demo!
Einige Ex-Gefangene aus dem mg-Verfahren

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