Video: Antimilitaristische Tatortinspektion

Video des Freundeskreis Videoclips

Am 13. November 2008 begann pünktlich um 9h der 12. Verhandlungstag im §129-Verfahren gegen Axel, Florian und Olliver. Versuchte Brandstiftung an Bundeswehrfahrzeugen und Mitgliedschaft in der militanten gruppe (mg) wird ihnen da zur Last gelegt. Wir zeigen Bilder vom Innenleben des Kriminalgerichts Berlin-Moabit, um Interessierte zu ermutigen, den Prozess auch vor Ort solidarisch und kritisch zu begleiten. Solidarität statt Paranoia!

Tatort 1

Die Auftaktkundgebung begann um 12h. Im Saal 700 war die Titelmelodie des Tatorts so laut zu hören, dass sich im Publikum spontane Freude breit machte. Ein Vorgang, der bei Bundesanwalt Jochen Weingarten auf spontane Ablehnung stiess (s. Bericht). Damit begann die Antimilitaristische Tatortinspektion an einem ersten Schauplatz militärischer Infrastruktur, dem Ort der Kriminalisierung und Strafverfolgung einer Abrüstungsaktion. Von hier aus startete der Bus in Richtung Universität Potsdam.

Tatort 2

Dort wurde vor einem Jahr der Masterstudiengang "Military Studies" eingerichtet. Auf dem Lehrplan stehen Seminare, wie "Der politische Soldat in deutschen Streitkräften des 20. Jahrhunderts" oder "Die EU als sicherheitspolitischer Akteur: Entwicklung, Operationen, Perspektiven". Finanziert wird das Ganze vom "Verteidigungsministerium" und hat mit Wissenschaft und Lehre soviel zu tun, wie eine Dauerwerbesendung mit einem guten Kinofilm.

Der Sonderforschungsbereich 700 (Kooperation FU-Berlin, Hertie School of Governance und Regierungsberatungsinstitut SWP) verwissenschaftlicht Kriegsschauplätze zu soziologischen Forschungsgebieten und prägt damit den Begriff der sogenannten "Interventionskultur". In Planspielen können Studierende hier das militärpolitische Management aktueller Krisen erlernen und weiterentwickeln.

Mit Transparenten, Megafonen und Flugblättern wurde über den Campus gezogen und die Cafeteria aufgesucht, um die Studierenden zum gemeinsamen Teach-In in die Mensa einzuladen. Dort und am Büro der Leitung der "Military Studies" wurde informiert und wurden Flyer und Tatortmarkierungen verteilt.

Tatort 3

Auf dem Weg zur Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) in der Upstallstr. 4 in Brandenburg/Havel wurde über die Tätigkeit der "Military Division" des Konzerns informiert. Am 29. Juni 2006 wurde der Folgeauftrag des britischen Verteidigungsministerium zur Lieferung von weiteren 2.077 Lkws bekannt gegeben. Dabei handelte es sich um die Einlösung einer Auftragsoption, die den Hauptauftrag über knapp 5.200 Lkw ergänzt, den MAN im März 2005 erhielt. Damit erhöhte sich der Wert des Gesamtauftrages um rund 300 Millionen Euro (netto) auf circa 1,6 Milliarden Euro. Die Auslieferung soll von Mitte 2007 bis 2013 erfolgen.

Insgesamt werden die militärischen Nutzfahrzeuge der MAN-AG in über 150 Länder, an 44 nationale Armeen und an private Sicherheitsfirmen auf der ganzen Welt verkauft. Wo und vor allem wofür so ein Militärfahrzeug eingesetzt wird, bleibt also im Dunkeln.

Tatort 4

Die Henning-von-Tresckow-Kaserne in Potsdam/Geltow, Werderscher Damm 21, beherbergt das "Einsatzführungskommando der Bundeswehr", den Generalstab zur Koordinierung der Auslandseinsätze von fast 10.000 Soldatinnen und Soldaten auf mittlerweile drei Kontinenten:

  • Operation Enduring Freedom (OEF Marine) - "Sicherung der Seewege am Horn von Afrika"
  • International Security Assistance Force (ISAF) - "Internationale Schutztruppen in Afghanistan"
  • United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) - "Unterstützung der Vereinten Nationen für die Regierung Afghanistans beim Auf- und Ausbau rechtsstaatlicher Strukturen"
  • European Union security sector reform mission in the Democratic Republic of the Congo (EUSEC RD Congo) - "Europäische Beratungsmission im Rahmen der Reformen des kongolesischen Sicherheitssektors"
  • United Nations Mission in Ethiopia and Eritrea (UNMEE) - "Überwachung der Grenzstreitigkeiten zwischen Äthiopien und Eritrea"
  • United Nations Mission In Sudan (UNMIS) - "Friedenssicherung im Südsudan"
  • United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) - "Überwachung der Küste vor dem Libanon"
  • European Union Force (EUFOR/Ehemals IFOR bzw. SFOR) - in Bosnien-Herzegowina
  • Kosovo Force (KFOR) - "Schutztruppe im Kosovo"
  • United Nations Observer Mission in Georgia (UNOMIG) - "Blauhelmmission in Georgien"

Hier wird auch die deutsche "NATO Response Force" (NRF) aufgestellt, ausgebildet und ihre Einsatzbereitschaft für das NATO-Bündnis zertifiziert. Der NATO stehen damit multinational etwa 26.000 Soldatinnen und Soldaten für den "kurzfristigen Einsatz" als "schnelle Eingreiftruppe" zur Verfügung.

Das "Operationshauptquartier der EU" (OHQ) stellt und befehligt die sogenannten "Battle Groups". Mit der vollen Einsatzbereitschaft von 13 Kampfgruppen soll die EU künftig bei "internationalen Krisen" schneller und flexibler reagieren können. Der multinationale Stab, bestehend aus 21 Nationen, befindet sich in Potsdam/Geltow, und unter deutscher Führung.

"Das OHQ Potsdam hat während der Aktivierung, Planung und Durchführung der Operation EUFOR RD Congo seine Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Innerhalb kürzester Zeit war die Aufnahme des Stabspersonals abgeschlossen, alle Planungsdokumente innerhalb der ambitionierten zeitlichen Vorgaben erstellt und die Verlegung des multinationalen Einsatzverbandes sowie die Durchführung der Operation zielgerichtet und erfolgreich durchgeführt."

Die Fahrtzeiten zwischen den Inspektionen der Tatorte wurde intensiv für die gegenseitige Bildung genutzt. Dabei gab es folgende Bildungsbausteine:

  • Der bisherige Verlauf des Gerichtsverfahrens gegen die angeklagten Antimilitaristen in Berlin.
  • Die Militärkonzepte "Vernetzte Sicherheit" und "Zivil-militärische Zusammenarbeit".
  • Der Sonderforschungsbereich (SFB) 700, an dem sich auch die Uni Potsdam beteiligt neben mehreren Berliner Unis und Forschungsinstituten. Sozialwissenschaftliche Forschung für Interventionskriegstrategien und verbesserte zivil-militärische Zusammenarbeit zur gewaltsamen Umgestaltung der Welt nach kapitalistischen, neoliberalen Vorgaben.
  • Die antimilitaristische Entbettungsaktion an der FU Berlin gegen den SFB 700 am Vortag.
  • Die Bedeutung der Einsatzführungszentrale der Bundeswehr für die Planung und Steuerung internationaler Kriege der Bundeswehr und von EU-Einsätzen.
  • Potsdam als langjähriges Zentrum militaristischer Tradition am Beispiel der Garnisonskirche.
  • Die Rolle von DHL als Logistik-Dienstleister für Feldpost und Munitionstransport in globale Kriegsgebiete und die gestartete Kampagne gegen DHL.
  • Der anstehende Prozess wegen dem Anbringen von Aufklebern mit dem Bild des brennenden Bundeswehr-LKW, original vom Heinrich Böll-Bucheinband "Ende einer Dienstfahrt" (1. Dezember, Berlin-Moabit).
  • Aktionstag zum mg-Prozess am 13.12.2008

Download: Tatortinspektion.ogg (75 MB) für den VLC-Player

Quelle: Freundeskreis Videoclips

 

 

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